Hörstörungen

Grob gesehen gibt es zwei Formen von Hörstörungen: Schall-Leitungs-Schwerhörigkeit und Schall-Empfindungs-Schwerhörigkeit.
Bei der Schall-Leitungs-Schwerhörigkeit besteht ein Problem im äußeren Ohr (z.B. Verstopfung des Gehörganges) oder im Mittelohr (z.B. Flüssigkeit hinter dem Trommelfell, Schädigung der Gehörknöchelchen,...). Durch diese Probleme kommt der Schall erst gar nicht im Innenohr und später im Gehirn an, oder er ist zumindest abgedämpft.

Bei einer Schall-Empfindungs-Schwerhörigkeit erfolgt die Schall-Weiterleitung im Mittelohr problemlos, jedoch gibt es eine Schädigung im Innenohr. Das Innenohr hat unter anderem die Aufgabe, den von außen kommenden "mechanischen" Schall-Impuls in elektrische Reize umzuwandeln und so über die Nerven in das Gehirn zu schicken. Wenn dies nicht oder nur unzureichend geschieht, kann die betreffende Person nicht alles hören, und eine Hörgeräte-Versorgung wird nötig.

Ursachen:
Die häufigsten Ursachen für Hörstörungen sind:

  • Vererbung (familiäre Häufung von Schwerhörigkeit)
  • Erkrankungen der Mutter während der Schwangerschaft
    (Viren, Bakterien, schwere Blutungen, etc.)
  • Frühgeburt
  • Sauerstoffmangel bei der Geburt
  • schwerwiegende Neugeborenen-Gelbsucht
  • Missbildungen im Kopfbereich
  • Hirnhautentzündung
  • schwere Schädeltraumen
  • Otosklerose
  • Tumoren (gut- und bösartig)
  • diverse Innenohr-Erkrankungen, z.B. Innenohr-Entzündung, Morbus-Menière, Hörsturz,...


Logopädische Behandlung:
Klinisch erfolgt eine möglichst optimale Versorgung mit Hörgeräten, CI, Operationen,... . Die Aufgaben der logopädischen Behandlung richten sich je nach den bestehenden Auffälligkeiten.
Bei Kindern mit starker Schwerhörigkeit stellt sich seit vielen Jahren immer wieder dieselbe Frage: "Soll das Kind die Gebärdensprache erlernen, oder verliert es dadurch das Interesse an der Lautsprache?"

Die Antwort: Stark schwerhörige oder gar gehörlose Kinder sollten unbedingt die Gebärdensprache erlernen. Eine "zweisprachige" Erziehung ist hier von vorn herein anzustreben (Gebärden und Lautsprache).

In der Praxis zeigte sich immer wieder, dass die Kinder, denen die Gebärdensprache verwehrt wurde, letztlich noch viel größere Schwierigkeiten im Erlernen der Lautsprache hatten, als die Kinder, die die Gebärdensprache beherrschten. Zudem haben Kinder mit Gebärdensprache ein differenzierteres Weltwissen. Das liegt z.B. daran, dass ein schwerhöriges oder gehörloses Kind selbst kaum in der Lage ist, allein durch Hören seinen Wortschatz zu erweitern. Richtig schwierig ist dies vor allem im abstrakten Bereich. Das Weltwissen erschließt sich uns in vielen Bereichen durch die Sprache. Denken und Sprache bedingen sich gegenseitig. Denken fördert Sprache, und sprechen fördert denken und verstehen.

Einem gehörlosen oder hörbehinderten Kind seine eigene Möglichkeit zum Spracherwerb, nämlich die Gebärdensprache, zu verwehren, bedeutet, das Kind ohne eigene Sprache aufwachsen zu lassen.

Wenn normal hörende Menschen eine Fremdsprache erlernen, stellen sie beim Lernen immer einen Bezug zur Muttersprache her: wir lernen Vokabeln durch Übersetzen in die Muttersprache. Wir verstehen grammatikalische und syntaktische Regeln, weil wir sie mit denen unserer Muttersprache vergleichen und Unterschiede wahrnehmen. Wenn wir aber kein Bezugssystem haben, wenn uns die Muttersprache fehlt, wie wollen wir dann lernen? Normal hörende Kinder erwerben ihre Muttersprache durch das Gehör. Hörgeschädigten Kindern fehlt dieser Zugang aber. Auch sie brauchen jedoch dringend eine Muttersprache. Die logische Folge ist das Erlernen der Gebärdensprache. Durch die Gebärdensprache erschließt sich dem Kind die Welt. Es erlernt, sich über Gebärden-Worte und -Sätze auszudrücken, es hat Freude an Kommunikation, es erweitert seinen Wortschatz und seine Denk-Strukturen. Parallel zur Gebärdensprache sollte versucht werden, dem Kind die Lautsprache nahe zu bringen, um eine Kommunikation mit all den Menschen zu ermöglichen, die keine Gebärdensprache beherrschen.

Ist der Patient in der Lage, zumindest fragmentarisch zu hören, erfolgt zunächst eine Schulung des Gehörs in Bezug auf den Hörtest. Die Aufmerksamkeit des Patienten soll mehr auf den Hörsinn gelenkt werden. So erfolgen z.B. Übungen zur Unterscheidung von Geräuschen, Worten und Lauten, und bei Kindern soll das Interesse an Lautsprache geweckt werden.

Neben der ständig notwendigen Wortschatz-Erweiterung und dem Erlernen grammatikalischer Regeln, stellt die Verbesserung der Artikulation einen Schwerpunkt der Behandlung dar. Da bei den schwerhörigen Patienten die Möglichkeit zur hörenden Beurteilung der eigenen Artikulation eingeschränkt ist, muss diese Rückmeldung verlässlich von außen gegeben werden. Die Anweisungen, was zur besseren Verständlichkeit nötig ist, müssen sehr exakt gegeben werden. Der Patient muss sich den Kanal des Spürens zunutze machen, um die richtigen Artikulations-einstellungen wieder zu finden.

Literatur & interessante Links

  • "Das Ohr", René Brunner + Ilse Nöldeke, 2001, Thieme Verlag
  • "Lehrbuch der Phoniatrie und Pädaudiologie", Jürgen Wendler,1996, Thieme Verlag
  • "Das Ohr- die Pforte zum Schulerfolg", Alfred Tomatis, 2003, Verlag modernes Lernen
  • "Zentrale Hörwahrnehmungs-Störungen, Regina Leupold, 1996, Verlag modernes Lernen